Der Programmierer von heute ist der Schriftsetzer von gestern

Zum Aufsatz Professor Lino Guzzella vom 12.3.2017 in der Neuen Zürcher Zeitung (publiziert als Leserbrief in der NZZ am Sonntag vom 19.3.2017)

In treffender Manier beschreibt Professor Guzzella die Notwendigkeit, mit der Informationstechnologie und der fortschreitenden Digitalisierung Schritt zu halten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob er hier nicht von einem veralteten  Idealbild ausgeht. Ich teile seine Ansichten zur Informationssicherheit. Hier ist es dringend notwendig, dass insbesondere die Privatwirtschaft Unterstützung durch Wissenschaft und Forschung erhält. In einem bin ich jedoch ganz klar anderer Meinung: Es ist absolut nicht notwendig, eine Heerschar von schnell gebleichten Programmierern auszubilden. Diesen droht nämlich in 5-10 Jahren dasselbe Schicksal, wie den Schriftsetzern vor 20 Jahren. Leuten heute das Programmieren beizubringen ist etwa so sinnvoll, wie man in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gefordert hätte, dass jeder Autofahrer einen Ottomotor zusammenschrauben können müsse. Wenn sich etwas für die Automatisierung besonders gut eignet, dann ist es die Programmierung! Bereits heute werden die meisten Programme basierend auf standardisierten Bausteinen entwickelt. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis 99 % aller Programme von Maschinen entwickelt werden. Was hingegen in keiner Weise angesprochen wurde, ist die Tatsache, dass wir heute nicht in der Lage sind, mit grossen Datenmengen sinnvoll umzugehen. Selbst im privaten Bereich, jeder kennt dieses Problem aus eigener Erfahrung, ist es fast unmöglich, die Übersicht über die eigenen Daten zu bewahren. Dazu nützen auch die heute verfügbaren Werkzeuge nichts. Auch eine hocheffiziente Suchmaschine kann die Frage nicht beantworten, welche Qualität die Daten besitzen. Noch viel wichtiger wird die Fähigkeit sein, Daten löschen zu können, denn der gesellschaftliche Druck wird in Folge zunehmender Daten-Missbrauchs-Skandale markant zunehmen.

Oder anders gesagt: Wir entwickeln uns bereits seit Jahren weg von der technischen Informatik in Richtung der aktiven Informationsbewirtschaftung! Die Fertigkeiten, um Information möglichst nutzbringend anzuwenden und zu steuern, werden unter dem Titel „Information Governance“ subsumiert.  Sie sollten durch Wissenschaft und Forschung mindestens genauso gefördert werden, wie es hier in diesem Artikel für die technische Informatik vorgeschlagen wird.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge