Records Management aus internationaler Perspektive: Australien

Records Management ist in Australien ein etablierter Bereich und australische Records Manager:innen haben wesentliche Inputs für die Standardisierung gegeben.

In diesem Interview mit Conni Christensen von synercon.co wollen wir den aktuellen Stand und die zukünftigen Trends im Records Management diskutieren. Conni Christensen gründete Synercon im Jahr 1998 und ist die Entwicklerin  a.k.a. information governance software.  Sie verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Records Management und engagiert sich aktiv in der RM-Gemeinschaft, z. B. im Institute for Information Management (IIM) und in der Records and Information Management Professionals of Australasia (RIMPA).

Fragen: Daniel Burgwinkel

Antworten: Conni Christensen

Wie ist der aktuelle Stand des Records Management in Australien?

Lassen Sie mich ein wenig in die Geschichte eintauchen. Ich denke, dass sich das Records Management in Australien vor 25 Jahren wirklich etabliert hat.

Die Einführung von Standards, Gesetzen und Vorschriften in den 1990er Jahren löste die Entwicklung von Technologien speziell für das Records Management aus. Wir haben also seit fast 30 Jahren einen strukturierten und geregelten Ansatz für das Records Management. Das ist wahrscheinlich die Grundlage für unsere Arbeit.

Organisationen im öffentlichen und privaten Sektor müssen innerhalb der Vorgaben  und des regulierten Ansatzes arbeiten. Für die Behörden sind die Vorschriften strenger, aber auch für die Unternehmen in Australien.

Die Anforderungen an das Records Management sind in vielen verschiedenen Vorschriften verankert. Sie sind im Unternehmensrecht, im Gesundheits- und Sicherheitsrecht verankert. Es ist im Steuerrecht enthalten, so dass private Organisationen eine Vielzahl von Vorschriften einhalten müssen, was sie heutzutage in der Regel auch tun.

Diese Art von Situation ist heute mit den sich ändernden Technologien viel fließender. Mit den neuen Technologien, wie Cloud-Anwendungen und Microsoft 365, ergeben sich jedoch neue Herausforderungen für die vorschriftsmäßige Verwaltung von Unterlagen.

Der stark regulierte Ansatz ist jetzt flexibler geworden, denn es hat sich gezeigt, dass wir mit den starren RM- und Archivsystemen zu unflexibel waren. Es wurde darauf bestanden, dass Records in bestimmten Systemen abgelegt und manuell klassifiziert werden. Die User haben diese starren Systeme nicht akzeptiert und begonnen Aufzeichnungen außerhalb dieser traditionellen RM-Systeme zu verwalten oder eben gar nicht ordnungsgemäss aufzubewahren. SharePoint, OneDrive und Netzlaufwerke sind alles Orte, an denen Unterlagen gespeichert, aber nicht unbedingt «ordnungsgemäss» verwaltet werden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Berufsbildes Records Manager in Australien?

Records Management ist eine gut etablierte Disziplin, aber die Aufgaben haben sich stark verändert, und die Herausforderung besteht darin, neue Fähigkeiten für die digitale Transformation zu entwickeln.

Eines der Probleme, die wir mit unseren Records Managern in Australien hatten, war, dass sie zu einem recht analogen Ansatz neigten und meist nur einen Hintergrund in Disziplinen wie Archivwissenschaften hatten.

Wir haben über viele Jahre hinweg Kurse zur Qualifizierung von Records Managern entwickelt, weil wir den Leuten neue Fähigkeiten vermitteln müssen, z. B. in den Bereichen Datenmanagement, Datenarchitektur und Integration von Geschäftsprozessen.

Ein wichtiger Aspekt ist das Wissen über das „Warum“ und der andere Aspekt ist das Wissen über das „Wie“:

  • Warum machen wir Dinge auf eine bestimmte Weise?
  • Warum machen wir eine funktionale Klassifizierung?
  • Warum machen wir Aufbewahrung und Entsorgung auf eine bestimmte Art und Weise?
  • Warum archivieren wir auf eine bestimmte Art und Weise?

Und dann das „Wie“, damit Sie wissen, wie man es digital und nicht analog macht. Das sind also die Fähigkeiten, die wir vermitteln, um die Lücke zu schließen.

Was sind die wichtigsten Trends für das Records Management der Zukunft?

Trend 1: Digitale Prozesse

An erster Stelle steht die digitale Prozesstransformation. Das bedeutet, dass wir von der analogen zur digitalen Transformation übergehen. Mit digital meinen wir jetzt maschinengesteuert. Wir bewegen uns wirklich von Menschen, die die Arbeit machen, zu Maschinen, die die Arbeit machen.

Trend 2: KI

Der nächste Trend ist natürlich die künstliche Intelligenz. Wir müssen die Werkzeuge der künstlichen Intelligenz im Records Management nutzen. Wir nutzen Werkzeuge wie automatische Klassifizierung und automatische Bewertung heute schon. Bei der künstlichen Intelligenz geht es darum, dass Maschinen enorme Datenmengen von Datensätzen verarbeiten können. Aber sie müssen mit Intelligenz gefüttert werden.

Die künstliche Intelligenz entsteht durch das Wissen, das wir in diese Werkzeuge einbringen. Und das Wissen über den Bereich muss in Regeln festgehalten werden. Deshalb müssen wir Taxonomien und Ontologien erstellen, um Regeln für die Erkennung und Sortierung von Inhalten und Datensätzen aufzustellen.

Man spricht von einer KI-gesteuerten Welt, aber es handelt sich um eine wissensgesteuerte KI, und unsere Aufgabe ist es daher, Wissensprodukte zu erstellen, die in die KI einfließen. Ich denke, einer der Trends, der sich abzeichnet, ist, dass wir anfangen werden, dieses Wissen zu teilen. Der Trend wird die Entwicklung von Taxonomien und Ontologien auf der Grundlage von Wissenstools sein, die wir in die KI einspeisen.

Trend 3: Einhaltung von Vorschriften

Wir befinden uns in einer von Rechtsstreitigkeiten geprägten Welt. Der Bedarf an Datenschutz und Sicherheit nimmt zu und die Strafen in Australien sind recht hoch. Ein Beispiel dafür ist der Fall der Medibank und einer Krankenversicherungsgesellschaft, die jetzt von der Aufsichtsbehörde verklagt wurden, und es ist möglich, dass sich die Geldstrafen auf bis zu einer Milliarde Dollar belaufen könnten. Die Kosten der Nichteinhaltung werden sehr, sehr hoch sein. Das bedeutet, dass die Unternehmen in das Records Management für die Einhaltung der Compliance investieren müssen (und wollen).

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