ISAD(G) kann nicht mehr alle Anforderungen an ein modernes Archiv abdecken. Die verwandten Standards (ISAAR(CPF), ISDF und ISDIAH) konnten sich global kaum durchsetzen. Einer der Gründe dafür liegt sicherlich in der Tatsache, dass die vier Grundlagen grossteils unabhängig voneinander erarbeitet wurden und nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Aus diesem Grund wird vom International Council on Archives (ICA) derzeit Records in Context (RiC) erarbeitet. krm hat im kürzlichen «call for comments» zum Konzeptmodell (RiC-CM) ebenfalls Stellung genommen. Hervorheben möchten wir die beiden folgenden Punkte:
- RiC-CM wird erstellt durch den ICA und hat einen inhaltlichen Fokus auf «klassische» Archive» im Sinne der Überlieferungsbildung, möchte aber auch die RM Community ansprechen: «RiC-CM is also intended to be of interest to the records management community. The work of records managers and archivists overlaps […].» Aus der Sicht von krm geht dabei vergessen, dass klassische Archivierung ein grösseres, langfristiges Ziel verfolgt. RM in der Privatwirtschaft hingegen ist in erster Linie Risikomanagement und muss organisationsweit von allen Mitarbeitenden mitgetragen werden. Wir sehen bereits bei MoReq oder «Archives-as-Is» (van Bussel), dass Theorie und Praxis teilweise weit auseinander gehen. RiC könnte das gleiche Schicksal drohen, da das durchschnittliche Dokument den Erschliessungsaufwand üblicherweise nicht wert ist. Besonders solange Drucker, Scanner und jeweils eigene Software zur Zusammenarbeit mit Externen existieren. Unabhängig davon ist RiC-CM für die Archivwelt grundsätzlich ein gelungenes Framework und der Schritt Richtung Linked Open Data mit Records in Contexts-Ontology (RiC-O) ist zu begrüssen.
- Wie alle Frameworks (Datenmodell als Metamodell) hat auch RiC-CM keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies wird vor allem deutlich, wenn Orte oder die Zugehörigkeit zu einer demographischen Gruppe näher beschrieben werden sollten. In RiC-CM existieren hierzu keine Details, es muss auf andere bereits existierende Grundlagen zurückgegriffen werden. Das Rad nicht stetig neu erfinden zu müssen ist durchaus sinnvoll. Aber wenn jeder andere Grundlagen auswählt, wird viel Potenzial zur besseren Zusammenarbeit bereits wieder verspielt. Ein Standard, welcher durch Linked Open Data vor allem durch weite Verbreitung sein Potenzial ausschöpfen kann, muss niedrige(re) Einstiegshürden haben. Es liegt am ICA hier in den angekündigten «implementation guidance» konkrete Vorschläge zur Vervollständigung der zwingend benötigten Verfeinerungen zu machen. Alternativ wäre eine Schweizer Vereinheitlichung durch den VSA-AAS (Projektgruppe ENSEMEN) zu begrüssen. Ähnlich der heutigen Schweizer Umsetzungsrichtlinien für ISAD(G). Ansonsten laufen wir Gefahr, dass wir einen Standard nur für grosse Institutionen wie Nationalarchive schaffen. Kleine Institutionen, welche von der Standardisierung besonders profitieren könnten, gehen dann im technologischen Wandel einmal mehr vergessen.
Tobias Wildi, Mitglied EGAD, hat dem krm folgendes zurückgemeldet: «Wir sind uns in der EGAD bewusst, dass RM- und Archiv-Metadaten aufeinander abgestimmt werden müssen. […] Die zukünftige Version von ISO 23081 wird Aspekte von RiC übernehmen, vor allem die verstärkt eventbasierte Datenmodellierung. Mittelfristig wird es ein Alignment zwischen den zwei Standards geben müssen. […] ISO 23081, so wie der Standard heute besteht, kann problemlos auf RiC gemappt werden.»
Team krm